Zwei Jahre | Bilder und Texte aus Wien | Peter Reichert

Zwei Jahre

Zwei Jahre in Wien


Nun bin ich zwei Jahre Wahlwiener – schönes Wort. Mit den Wörtern ist es hier für einen übersiedelten Pensionisten so eine Sache. Ich habe schon viel gelernt. Einige Wörter sind mir bereits so geläufig, dass sie mir leicht von der Zunge gehen. Angefangen hat das – bei einem verfressenen Zeitgenossen wie mir nicht verwunderlich – mit dem Gemüse. So sind Bohnen für mich schon längst Fisolen, der Blumenkohl heißt Karfiol, die Randen heißen Ronen, die Aprikosen Marillen, Tomaten Paradeiser, Knoblauch Knofel, der Kopfsalat ist ein Häuptlsalat, Meerrettich heißt Kren, Mais ist Kukuruz, Peperoni sind Pfefferoni, Johannisbeeren Ribisel (ich liebe die veganen Ribiseltascherl der Bäckerei Ströck!), Baumnüsse sind Walnüsse, der Nüsslisalat heißt Vogerlsalat, Sellerie Zeller. Gehacktes Faschiertes. Der Bäcker handelt außer mit Backwaren mit Mehlspeisen – zu denen das Brot interessanterweise nicht gezählt wird. Der Anschnitt vom Brot ist übrigens das Scherzel.

Das geht ja noch, wenn man einfach Vokabeln lernen muss. Schwieriger ist es da schon, wenn gleiche Ausdrucksweisen verschiedene Bedeutung haben. Bedeutet in der Schweiz der Ausdruck „angefressen sein“ dass man sich für etwas begeistert, so hat es hier die umgekehrte Bedeutung, es ist etwas, wovon man genervt ist oder, wie hier gesagt wird: angezipft. Wo Schweizer sich wundern, werden Österreicher narrisch oder rufen aus: Bist du deppert! Ein Bett wird natürlich nicht angezogen, sondern bezogen, und Blumen werden nicht eingestellt, sondern eingefrischt. Und ein Keibl ist ein Kalb.

Besonders lustig finde ich Missverständnisse sozusagen klanglicher Art. Einmal im Winter sprachen wir auf dem Heimweg von einer Freundin Lindes, und dann sagte sie (phonetisch notiert): I glaub jetz hot si ein. Ich verstand das so, dass besagte Freundin jetzt einen Mann hat, aber Linde meinte, wenn wir heimkommen heizt sie ein, und nicht, dass die Freundin jetzt einen Haberer hat: i glaub, jetz hoaz i ein.

Auf einem Ladenschild lese ich von Schneiderzugehör. Ein anderes Geschäft hat grad Abverkauf.  Wo man hinschaut, kann man was Neues entdecken. Eine Galanteriespenglerei etwa, einen Feinkostladen, einen Fleischhauer, der Fleischlaberl anbietet, So wird einem nie langweilig – ich meine fad. Ein langweiliger Mensch ist übrigens ein fader Zipf. Um meine Leser nicht länger zu langweilen, mache ich Schluss und lasse in der Fotogalerie noch ein paar Bilder sprechen, die ich übrigens nach wie vor mit meiner Leica mache, einer Kamera ohne Spompanadeln wie Autofocus und Bildstabilisator. 

© Peter Reichert 2018