Ex-Blog | Bilder und Texte aus Wien | Peter Reichert

Ex-Blog


Neuer Frühling!

Dieses Jahr werde ich Siebzig! Nur noch ein paar Monate bis dahin. Dazu gibt es nichts weiter zu sagen. Überhaupt finde ich immer weniger zum sagen. Soviel Unsägliches geschieht! Und mir geht es so gut hier auf meiner Pensionisteninsel … Ich wandle durch meine restliche Zeit und schaue. Mein Denken reduziert sich mehr und mehr auf das Schauen. Ich mag nicht diskutieren. Ich will keine Vorträge halten. Ich möchte nicht mehr zu neuen Ufern aufbrechen. Ich ziehe es vor, hier zu bleiben und mich umzuschauen. Ich sehe dem ewigen Kreislauf zu, ein neuer Frühling, eine neue Jugend, neue Ideen, neue Kunst, und all dem gegenüber fühle ich mich mehr und mehr als Zuschauer. Ich mache mir meine Bilder davon. Zu den Bildern habe ich nichts zu sagen. 

Dies ist mein letzter Blogeintrag. Ich werde aber weiter schauen. Mir Bilder machen. Von Zeit zu Zeit einige Bilder hier ausstellen.

Danke für die Aufmerksamkeit. Jedes Feedback freut mich weiterhin.

Frohe Weihnacht

Erinnerung

An Weihnachten aßen wir immer Rollschinken.

Schweinachten.

Mehr fällt mir dazu nicht mehr ein.

Farbe bekennen

Die dunkle, graue Jahreszeit kommt. Ich treibe es bunt wie der Herbst und fotografiere in Farbe. Dabei gibt es keinen Grund zur Panik. In der Stadt bleibt es ja farbig. Draußen am Land ist das anders, da entfärbt der Winter alles. Vielleicht einer der Gründe, warum ich kein Landmensch bin, nicht auf dem Land leben will und kann und überzeugt bin, da nach kurzer Zeit einzugehen. Ich brauche das Leben in der Stadt, die auf mich einstürzenden Eindrücke, gegen die ich mich manchmal mehr schlecht als recht mit der Kamera wehre, ich brauche die Herausforderung, den Widerspruch, den Kontrast, das Chaos, ja sogar die Angst, damit ich wach bleibe und aufmerksam und nicht bequem werde und mich in der Schönheit einrichte und mit Berg- und Seesicht langsam aber unweigerlich zu Grunde gehe. Ich brauche die Kultur mehr als die Natur. Die brauche ich auch, sicher, aber Wien bietet mir davon genau das richtige Maß mit den wunderbaren Parkanlagen, Baumalleen, Blumenbeeten, und wenn es mal ein bisschen mehr sein soll gibt es die Stadtwanderwege, wo man sich kurz nach einer Straßenbahn-Endstelle schon mitten in der Natur befinden und aufhalten kann, ohne lange Anreise und ohne ein Hotel buchen zu müssen. Ideal! Ich fühle mich wohl hier, ganz besonders in der dunklen und grauen Jahreszeit, weil die Buntheit erhalten bleibt. Eine andere Buntheit als die der Skianzüge …

Hochzeit!

Am 13. Juli um 13.30 haben Linde und ich geheiratet!

 DSF0647-2


Linde hat in ihrem Hochzeitsgedicht in ihrer unvergleichlichen Schüttelsprache alles dazu gesagt, was wichtig ist, wie der folgende kleine Auszug daraus zusammenfassend beweist:

Ein Heirat mit schon reife Jahr
ein wundersame Sach fürwahr,
weil beide schonen viel erlebt
bevor ein neue Ja-Wort gebt.
Ein vielleicht wenig Illusion,
was früher Heirat hatten schon.
Jetzt gibt ein ruhige Sicherheit
für Leben wollen gut zu zweit.

Uns beiden sind ein ziemlich klaren,
dass kein ein Prinz Prinzessin waren,
dazu ein viel zu schon erfahrt,
was kein an Heiligschein bewahrt.
Vielmehr ein gegenseit Respekten
und liebt, was inner Herzen stecken,
mit große Mitgefühltenheiten
für manch ein Unzulänglichkeiten.
Und oft an Stress-Situation
danach wir lacht ein viele schon.

Ein reife Geist, ein schlaffe Haut
macht glückmomentig liebst vertraut.
So Heirat mit schon späte Jahr
ein wundersame Sach fürwahr. 

Wiener Mischung

Wien mit Ecken und Kanten
Linde Prelog und Peter Reichert

Jetzt ist es soweit: der neue Verlagskatalog vom Verlag Anton Pustet ist herausgekommen, und auf Seite 10 findet sich unser Buch! Pünktlich zum dritten Jahrestag meiner Auswanderung nach Wien! Schöner könnte ich das nicht feiern. Wenn ich auf diese drei letzten Lebensjahre zurückblicke überkommt mich ein Gefühl großer Dankbarkeit. Vor allem betrifft dies meine Begegnung mit Linde. Seit nun einem Jahr leben wir zusammen, und dass unsere Seelenverwandtschaft nun einen so schönen Ausdruck gefunden hat ist wirklich ein Grund zur Freude.

Wien ist nach wie vor die Stadt, die mich inspiriert und fasziniert. Ich bedaure natürlich zutiefst die neuesten politischen Entwicklungen, die mich mit Sorge erfüllen und manchmal direkt Angst machen. Aber woanders wäre es zur Zeit nicht besser, und so halte ich mich ans Gute und Schöne und Interessante, das meine neue Heimat zu bieten hat, ohne den Blick zu verschließen für die Schattenseiten. Wo viel Licht ist … und von Licht und Schatten und den Kontrasten lebt schließlich die Schwarz-Weiß Fotografie, die meine große Passion ist. 

Besuch im Kostümverleih von Babsi Langbein

Höchste Zeit, die Weihnachtseintragung endlich verschwinden zu lassen, schon steht ja das nächste christliche Hochfest vor der Tür: Ostern! Auch hier: viele Erinnerungen an meine Organistenzeit, als diese Zeit noch Stress bedeutete. Heute ist das alles so weit weg, fast kommt es mir vor wie aus einem früheren Leben …

Drum lasse ich die Erinnerungen gerne Erinnerungen sein und berichte lieber von einem Besuch in einem Theater-Kostümverleih, wo ich Fotos machen durfte.

Eigentlich müsste man einen Film drehen über den Kostümverleih von Barbara Langbein an der Gentzgasse 9 in Wien. Die bekannte Kostümbildnerin weiß zu so manchem Stück so viel und auf so lebendige Art zu erzählen. Der über Jahrzehnte künstlerischer Tätigkeit aufgebaute Fundus zeugt von ihrem großen Wissen und Können, ihrer Kreativität und Liebe zum Beruf.

Mit stummen Schwarz-Weiß-Fotos versuchte ich auf meine Art einen Eindruck zu vermitteln von der Vielfalt und dem geordneten Chaos, das den Besucher hier sprachlos staunen lässt.

Ich danke Babsi und ihrer Schwester Bebi sehr herzlich für die bereitwillig eingeräumte Möglichkeit, diese Bilder im Fundus und in der Schneiderei zu machen.

Advent, Advent …

… das Forsthaus brennt. So dichtete Loriot. 

Das sehe und höre ich mir alle Jahre wieder an. Es tut mir gut! Seit langem hab ich Mühe mit dieser Zeit. Jedes Jahr bin ich froh, wenn Weihnacht endlich abgefeiert ist und sich das Straßenbild und die Mitmenschen wieder normalisieren. Zwar ist es nicht mehr so arg wie in den überstandenen Organisten-Jahrzehnten, aber ein schlechter Nachgeschmack bleibt wohl zurück. Diese Flimmerglimmerklingelzeit ist schwer auszuhalten. Während der letzten Mitternachtsmesse, die ich zu beorgeln hatte, Anno Domini 2010, schrieb ich das folgende Gedicht, das ich hier so unfertig wiedergebe wie es blieb.


alle jahre wieder

neue geschenke kaufen und
alte lieder singen
vor geschnitzten krippen
geblendet vom lichtergefunkel
blind für die not
auf erden

feuchtaugig zuschauen
unseren als hirten und könige verkleideten kindern
beim spiel jener weihnachtsgeschichte
die sich begab zu jener zeit
kundgetan
vom engel halle-e-luja

in ungeteilte mäntel gehüllt
wohl zu der halben nacht
vor rührung schneuzen
wenn der alkoholisierte kirchenchor singt
wie maria durch ein dornwald ging
und dass ein kind geborn zu betlehem

kleine scheine in opfersäcklein und
große bissen in den mund stopfen
o du fröhliche
o du selige
gnaden bringende weihnachtszeit
schau dich an o christenheit

November

Nicht, dass ich etwas zu schreiben wüsste. Ich will einfach den letzten Eintrag wieder in den Hintergrund rücken, wo er hingehört. Und das Schloss Belvedere im Licht der blauen Stunde ist doch alleweil sehenswerter als die blöde Sprayerei in der Unterführung am Bahnhof Berikon/Widen.

Die erste Verkühlung (wie hier eine Erkältung heißt) hat mich bereits ereilt. Die kalte Jahreszeit zeigt schon die Zähne. Tagsüber ist es zur Zeit föhnig, das gibt es hier auch, und hier wie in der alten Heimat macht mir der Föhn Kopfschmerzen. Ich kann also getrost hier bleiben, es wäre in der Schweiz auch in dieser Beziehung nicht besser. Ich mag das föhnschöne Wetter nicht, es kommt mir wie unecht vor. Ich glaube, auch unser Mitbewohner Kater Joschi ist nur mäßig begeistert von der Sonne am Balkon. Er liegt lieber drin auf dem Lehnstuhl und scheint auf bessere Zeiten zu warten. So will ich es auch machen. Man kann von so einem Hausgenossen nur lernen!

In diesem Sinne: Bis bald!

Die Schweiz hat gewählt!

Wie haben wir doch in der Schule so treffend gesungen:

Ruf uns Fahne, ruf die Brüder, 
Fackel heil’ger Menschlichkeit! 
Aber kommt ein Geßler wieder:
ruf den alten Tell zum Streit!
Lodre, blutgetränkte Seide,
flamme durch die Völkernacht!
Sieh, es ist zu Tod und Leide ‚
'sVolk, das ganze Volk erwacht!

Wurde auch langsam Zeit …

Zwischenzeit im Zwischenreich

Gerade noch war es so heiß, dass ich gar nichts machen mochte. Kaum wird es wieder kühler, mag ich das zwar nicht, aber bin wieder denk- und handlungsfähiger. Die älter werdenden Knochen haben es gern warm, aber die schönen warmen Tage sind ja so selten! Entweder ist es kühl oder heiß, dazwischen gibt es nur dazwischen … Das passt eigentlich gut zu meiner Lebenssituation: ich bin nicht mehr jung und auch noch nicht richtig alt, halt so dazwischen, wenn auch näher bei alt. Auch die Jahreszeit ist jetzt so dazwischen, noch nicht richtig Herbst, aber auch ganz bestimmt nicht mehr Sommer. 

Doch es gibt auch Feststehendes! Was mich besonders freut: Das Fotobuch „Wiener Mischung“ mit Zwischentexten (!) von Linde wird im August 2016 im renommierten Salzburger Verlag Anton Pustet erscheinen! Darum habe ich mir für die neue Diashow etwas Besonderes einfallen lassen: ich zeige hier die Fotos, die ich aus der engeren Auswahl ausgeschieden habe, die also im Buch nicht zu sehen sein werden.

Und zur Zwischenzeit füge ich noch ein Gedicht an, das ich in schlaflosen Nachtstunden gemacht habe, anstatt Schäfchen zu zählen. Und es hat gewirkt: ich konnte wieder einschlafen.

Angesichts der aktuellen Weltlage und Flüchtlingsproblematik ist das alles ja ziemlich nebensächlich. Und trotzdem gibt es Dinge abseits der Tagesaktualität. Eine Art Zwischendinge. So ist das hier also ein Gruß aus dem Zwischenreich, in dem ich mich aufhalte und manchmal trotz allem wohlfühle.


Zwischenzeit

Noch scheint die Zeit breit.
Nur der Mut wird kürzer
und die Angst schwerer.

Die Tage werden zaghaft
und die Nächte zäh.

Die käufliche Wärme
wird weggesperrt,
draußen erfriert Hoffnung,
drinnen erzittern die Wände
im Kerzenlicht.

Weihnachtsvorfreude
ist noch verfrüht,
auch wenn im Supermarkt schon
erste Zimtsterne
vertrocknen.

© Peter Reichert 2018