Es weihnachtet sehr | Bilder und Texte aus Wien | Peter Reichert

Es weihnachtet sehr

Zwar gibt es überall in der Stadt die Weihnachtsmärkte mit ihrem bunten Treiben, aber mir fällt auf, dass viele Straßen ungeschmückt bleiben. An der Quellenstraße, wo ich wohne, gibt es keine Weihnachtsbeleuchtung. Nur der Christbaumverkauf im Garten des Gasthauses nebenan erinnert mich ans bevorstehende Fest. Das ist mir besonders dann recht angenehm, wenn ich mich an die Adventszeit in Bremgarten erinnere, wo ich zwanzig Jahre lang als Organist wirkte. Am mehrtägigen Weihnachtsmarkt im Dezember roch jeweils das ganze Städtchen nach Knoblauchbrot, aus den überall an den Häusern angebrachten Lautsprechern plärrte nervtötende Blockflötenmusik, x Mal täglich unterbrochen von Mahalia Jacksons „Silent Night“, deftige Kost wie Raclette und Bratwürste an jeder Ecke, Ponyreiten für die Kleinen, die heilige Familie lebensgroß, der Stand des Gewürzhändlers „Zum scharfen Sultan“ neben den Pferdefleischspezialitäten. Da gab es kein Entkommen; für den Weg durch die Stadt vom Bahnhof zur Kirche hinunter musste man doppelt oder drei Mal so viel Zeit einplanen wie sonst.

Advent, Zeit der Erwartung – was erwarte ich, was ist zu erwarten? Alle Jahre wieder – ich bin’s irgendwie müde geworden. Ein kleines Gedicht zum Advent habe ich trotzdem geschrieben, mit dem ich den letzten Blog-Eintrag dieses Jahres beschließen will:


Frommer Adventswunsch

Dass ein Stern erschein
und die Menschen verein

dass der Hirte nicht schlaf
wenn der Wolf reißt die Schaf

dass niemand allein
ohne Herberg muss sein

dass der König sich neigt
wo das Kindlein sich zeigt

und dass Esel und Ochs
nicht so streng orthodox!

 

© Peter Reichert 2018